Die Energie von Samhain zum Nur-hören
Das Fest des Loslassens und der Strukturlosigkeit
Ich liebe den Herbst. Ich liebe die kühle, klare Luft, die den Duft feuchter Erde und gefallener Blätter in sich trägt. Morgende, in denen der Nebel über den Feldern steht und auch graue, diesige Nieselregentage allein am Strand erfreuen mein Herz. Golden ist der Herbst für mich, nicht nur durch die Farbenpracht der Blätter, sondern vor allem auch durch den Kerzenschein, der mich täglich in der dunklen Jahreszeit begleitet.
Die Energie, die im Sommer mit voller Kraft nach außen gegangen ist, zieht sich zurück. Spätestens mit Samhain beginnt der stille Teil des Jahres. Wie im Außen, so auch im Innen.
Und so lege ich meinen Urlaub z.B. gerne in den Herbst. Ich brauche die Zeit für mich selbst. Es gibt Menschen, die von der Herbstdepression reden. Ich nenne es die Höhlenzeit. Depressive Tendenzen verspüre ich nur, wenn ich diesem Impuls nicht nachkomme.
Nach meiner Wahrnehmung übernimmt nun langsam wieder die feminine Energie die Führung. Wir lassen das Außen los, stellen die nach Außen gerichteten Aktivitäten so weit wie möglich ein, lassen für eine Weile auch begonnene Projekte los und geben uns ganz der Auflösung, der Strukturlosigkeit, dem Chaos hin.
Im Chaos liegt Kreativität. Freies Fließen ohne Ziel ist angesagt, wie die Raupe, die sich in ihren Kokon zurück zieht, sich ihrem Prozess hingibt und als Schmetterling wieder hervorkommt.
Stille aushalten
Doch die Stille muss auch ausgehalten werden. Wenn es außen still wird, beginnen wir uns selbst deutlicher wahrzunehmen. Solange wir uns (noch) vor unseren Gefühlen fürchten, weil wir vielleicht unaufgearbeitete Traumata, ungeheilte Verletzungen, Wut, Trauer, Einsamkeit, Hass, Schuldgefühle usw. in uns tragen, können Herbst und Winter unerträglich werden. Doch diese Zeit ist eine ganz hervorragende Zeit, sich der (Selbst)Heilung hinzugeben.
Der schamanische Weg ist ein Weg des andauernden Loslassens und Sterbens. Immer wieder musste ich diesen Prozess durchlaufen. Immer wieder hat mich das Leben aufgefordert, alles loszulassen, was ich zu sein und zu wissen glaubte. Und immer wieder ist geblieben, was ich wirklich bin und gegangen, was weder mir noch anderen gut tat.
Vater Tod oder Mister Ende
Auf dieser Reise begegnete ich immer wieder Vater Tod. Er hat mir viele Male gezeigt, wie er wirkt und arbeitet. Er ist ein großartiger “Überdieschwellehelfer”. Inzwischen nenne ich ihn gar nicht mehr Vater Tod. Früher zeigte er sich mir als dieses Wesen mit dem dunklen Umhang und der Sense.
Heute sehe ich ihn häufig als jungen und kraftvollen Mann und nenne ihn “Mister Ende”. Seine Sense hat er immer noch dabei. Sein Job ist es, Energiefäden zu trennen. Er beendet alles, was das Leben behindert. Wir könnten ihn auch Unterstützer des Lebens nennen.

Ihn achte und ehre ich zu Samhain. Es ist eine gute Zeit, die eigene Verbindung zu ihm wahrzunehmen, zu klären und ihn in unser Leben zu integrieren. Klar, er ist immer im Jahr unterwegs, doch im Herbst und zu Samhain können wir ihn leichter wahrnehmen, weil er in der Natur so sichtbar ist. Es mag uns in dieser Zeit leichter fallen, seine Energie aufzurufen und zu spüren.
Bei meinen vielen Begegnungen mit ihm habe ich lernen dürfen, dass immer wir es sind, die sich entscheiden, ihn zu rufen. In den meisten Fällen tun wir dies nicht auf der bewussten Ebene. Doch wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass das Sterben dran ist, wenn das Sterben dran ist.
Plaudern mit Vater Tod zu Samhain
Wenn du es wagst und du magst, versuche doch mal, rund um Samhain in Kontakt mit ihm zu gehen. Du kannst mit ihm ganz klare Vereinbarungen treffen. Er wird sich daran halten.
Du kannst deine Geister bitten, dich zu ihm zu bringen. Er jedenfalls freut sich immer über Besuch. Du kannst mit ihm ins Gespräch kommen und ihm Fragen stellen. Vielleicht willst du etwas über den Sterbeprozess wissen oder du hast Menschen oder Tiere verloren, über deren Sterben du etwas wissen möchtest.
Arbeiten mit Vater Tod
Du kannst ihn auch bitten, durch deinen Körper zu fließen und alles mitzunehmen, was dich krank und alt werden lässt. Es fühlt sich unter Umständen erst einmal eigenartig an. Seine Energie ist die des Endes. Zu mir meinte er einmal, dass dies eine phantastische Verjüngungskur sei.
Oder du bittest ihn, durch bestimmte Bereiche deines Lebens zu fließen, z.B. durch deine Arbeit oder durch deine Beziehungen oder in welchem Bereich auch immer du dich nicht wohl fühlst.
Doch dazu gehört eine Portion Mut. Wenn er etwas beendet, dann beendet er. Das wird sich vielleicht auch im Außen zeigen. Manchmal ist das Neue schon sichtbar, aber nicht immer. Manchmal braucht es auch erst einen freien Blick, damit wir erkennen können, was ins Licht des irdischen Seins treten kann und möchte.
Es kann jedoch auch sein, dass es unsere Projektionen sind, die er in den entsprechenden Lebensbereichen beendet. Im Außen ändert sich dann gar nichts, sondern unsere Gefühle zu den äußeren Umständen ändern sich.
Du siehst, in gutem Kontakt und vor allem in guter Kommunikation mit Vater Tod zu sein, ist hilfreich. Es lohnt sich, mit ihm befreundet zu sein, auch wenn er vermutlich mit der einen oder anderen Überzeugung von dir aufräumt.
Der Schleier zum Totenreich
Im Netz wird auch immer wieder geschrieben, dass der Schleier zur Totenwelt und zu den Ahnen in der Zeit zu Samhain dünner sei. Ich finde Genauigkeit sehr wichtig und deswegen halte ich diese Aussage für irreführend.
Der Schleier ist nach meiner Wahrnehmung immer gleich dick oder dünn. Es ist unser Fokus, auf den es ankommt. Wie ich bereits geschrieben habe, mag es uns leichter fallen, mit allem, was mit Tod zu tun hat, im Herbst leichter in Kontakt zu treten, weil es im Außen stiller wird und damit vielleicht auch wir stiller werden.
Es ist keineswegs nötig, bis zum Herbst oder bis Samhain zu warten, um Dinge im Totenreich und mit unseren Ahnen zu klären.
Und dennoch ist es eine gute Zeit, nicht nur, weil es im Außen stiller wird, sondern auch deswegen, weil viele Menschen über eine lange Zeit immer wieder in dieser Jahreszeit und zu Samhain genau diese Energie des Sich-mit-den-Ahnen-Verbindens genährt haben.
Die Ahnen
Wenn in deinem Leben alles großartig ist und du aber auch gar nichts verändern möchtest, weil du rundum glücklich bist, dann ist es vielleicht schön, die Ahnen zu Samhain einfach einzuladen, ihnen deinen Dank mitzuteilen, mit ihnen gemeinsam ein Kürbissüppchen zu löffeln (sie erfreuen sich an der Energie) und ein Gläschen Wein zu trinken.
Wenn du jedoch Herausforderungen in deinem Leben hast, geht es bei dem Kontakt zu deinen Ahnen vielleicht um mehr. Wenn du dich bewusst mit deinem Ahnensystem verbindest, bist du in der Regel mit Wertvorstellungen, Lebensweisen, Entscheidungen konfrontiert, die aus unserer heutigen Perspektive fragwürdig erscheinen mögen. Dass z.B. das Leben an sich zu einem echten Wert geworden ist, ist tatsächlich erst in den letzten knapp hundert Jahren so geschehen.

Vielleicht wirken alte Verletzungen, Entscheidungen, Verträge, Schuldgefühle oder ähnliches aus der Ahnenlinie in dein Leben hinein. Gerade, wenn du Schwierigkeiten mit deinen Eltern hast, du mit deren Verhaltensweisen nicht einverstanden und nicht im Frieden bist, lohnt sich ggf. ein Blick in die frühere Vergangenheit hinein.
Einschub Über Vergebung
An dieser Stelle möchte ich ein paar Worte zum Thema Vergebung schreiben. In der spirituellen “Szene” wird Vergebung immer wieder sehr hoch gehalten. Nach meiner Beobachtung passiert es jedoch oft, dass Menschen glauben, sie hätten vergeben und unterschwellig wirkt die Verletzung noch immer, weil sie sich Wut, Hass und ähnliche Gefühle nicht oder nicht mehr erlauben.
YouTube ist ein amerikanischer Anbieter. Wenn du auf die Website gehst, speichert YouTube deine Daten in Amerika. Das amerikanische Datenschutzniveau wurde vom Europäischen Gerichtshof für nicht angemessen erklärt.
Bei dem Wort “Vergebung” schwingt für mich auch oft ganz leise eine Art Herablassung mit. So nach der Art: “Schau, ich bin besser als du. Ich vergebe dir.”
Ich persönlich kann mit Verstehen und Frieden schließen deutlich mehr anfangen. Für mich geht es vor allem darum, alles, was da ist, zu achten und anzunehmen. Verstehen, was passiert ist und warum der andere Mensch diese Entscheidung getroffen hat, auch wenn uns dieses Warum ggf. nicht gefällt, ist einer der ersten Schritte.
Doch auch zu verstehen, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf uns hatte bzw. hat und zwar alle Facetten, d.h. auch die positiven Aspekte, z.B. irgendwelche Fähigkeiten, die wir durch diese Situation erlangt haben oder Erkenntnisse oder was auch immer, ist wichtig.
Auf meinem schamanischen Weg habe ich auch lernen müssen, dass zu ein und demselben Thema in mir immer jede Menge und sehr unterschiedliche und auch entgegengesetzte Gefühle vorhanden sein können. Es ist nicht immer einfach, alle Gefühle nebeneinander stehen lassen zu können, doch oft ist das nötig, weil sie ja nun mal da sind. Wenn ich mein Gegenüber verstehe, empfinde ich vermutlich Mitgefühl. Das heißt jedoch nicht, dass meine Verletzung nicht ebenso wichtig ist.
Damit eine solche Verletzung nicht unter dem Pflaster der Vergebung weiter vor sich hin eitert, sondern richtig ausheilen kann, braucht es Aufmerksamkeit, Selbstfürsorge und Verständnis nicht nur für das Gegenüber, sondern vor allem auch für uns selbst.
Dieser Prozess dauert solange wie er dauert. Am Ende müssen auch nicht alle Gefühle z.B. der Trauer gewandelt sein. Es gibt Dinge, die uns einfach traurig machen.
Und darum geht es aus meiner Sicht, diese Gefühle, die wir meistens als negativ bezeichnen, zu akzeptieren. Trauer, Wut und ja, auch mal der Hass, gehören zum Leben dazu. Alles ist eins, das heißt, alles, auch der Hass, hat seine Berechtigung.
Frieden können wir schließen, wenn dieser Prozess des Verstehens und der (Selbst) Akzeptanz zu großen Teilen vollzogen ist und wenn die akute Verletzung aufgehört hat. Wenn das Gegenüber noch immer verletzende Handlungen vollführt, gilt es Grenzen zu setzen. Abstand im Außen schafft in solchen Fällen ggf. die Möglichkeit, im Innen wieder Verbindung herzustellen, auf die Art, wie es für uns selbst gut ist. Liebe und Beziehung sind nicht dasselbe.
Zurück zu den Ahnen
Wenn du dein Ahnensystem also anschaust und wahrnimmst, dass es darin Konflikt, Leid, Schuld und oder ähnliches gibt, dann bitte alle daran Beteiligten an den Tisch und lasse sich alles zeigen, was ist. Manchmal reicht es ja schon, dass die Dinge angeschaut werden, damit sie ihre Wirkkraft verlieren.
Wenn es mehr braucht, dann frage und spüre genau nach. Du wirst die Antworten erhalten, die dir helfen, die alten Verstrickungen in den Frieden zu bringen. Erlaube dir auch zu akzeptieren, dass deine Arbeit zu Samhain ggf. erst der Beginn eines Friedensprozesses ist.
Du musst nicht alles tragen, was dir durch deine Ahnenlinie per Zeugung und Geburt mitgegeben worden ist. Du darfst die Päckchen und die dazugehörige Verantwortung auch zurück geben. Unsere Ahnen mussten in der Regel viel mehr für ihr Überleben tun als wir heute. Sie hatten viel weniger Gelegenheit, sich um ihr Seelenheil zu kümmern. So wurden die Erfahrungen und Energiepakete weiter gegeben. Wir sind heute in der glücklichen Lage, die Zeit und Kapazitäten zu haben, um uns um unsere seelischen Angelegenheiten zu kümmern.
Hast du irgendwann diese alten Geschichten geklärt und bist frei von ihnen, wirst du wahrnehmen können, dass es dir leicht(er) fällt, deinen Platz in der Ahnenlinie einzunehmen und die positiven und unterstützenden Energien, die von hinten zu dir fließen, anzunehmen und zu nutzen. Dankbarkeit deinen Ahnen gegenüber kann ein Resultat deiner Arbeit sein.
Meisterschaft
Dein Leben ist das Ergebnis des Zusammenfließens vieler unterschiedlicher Energiefäden (nicht nur der familiären, sondern auch der gesellschaftlichen, der Gegebenheiten der Natur und der Kultur etc.) und du bist die Meisterin bzw. der Meister, die bzw. der diese Fäden neu sortiert, beendet, verändert, neue Fäden hinein bringt, wunderschöne Muster webt und eben schöpferisch ihren bzw. seinen Weg geht.

Je bewusster du das tust, desto mehr Variationsmöglichkeiten stehen dir zur Verfügung und vielleicht wird dein Weg dadurch spannender. Ganz sicher aber wirst du eher in der Lage sein, Liebe als dein Lebenswerk an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.
Ich finde, Samhain ist eine gute Gelegenheit, all das einmal richtig zu würdigen. Vielleicht kommt sogar Stolz in dir auf, weil dir ganz nebenbei klar wird, welchen Weg du schon gegangen bist und wie viel alten “Quark” du schon aufgeräumt hast. Darauf mit den Ahnen anzustoßen, ist Samhain für mich. Und so wird das sogenannte Totenfest zu einem Fest des Lebens.
2 Comments
Tanja Richter
:)
Rama
Bei dem Wort “Vergebung” schwingt für mich auch oft ganz leise eine Art Herablassung mit. So nach der Art: “Schau, ich bin besser als du. Ich vergebe dir.”
Das hat mich sehr angesprochen, habe ich doch just vorher etwas über Vergebung von Joyce Meyer gelesen, wo ich meine, ein bisschen von dem gespürt zu haben.
Danke für die Anregung, lieber von verstehen und Frieden schließen zu reden <3